Europas oberste Richter könnten deutlicher nicht sein: Die
Vorratsdatenspeicherung greift tief in unsere Grundrechte ein. Wer das
Instrument einsetzt, braucht gute Gründe - die bisher fehlen.
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/vorratsdatenspeicherung-ist-ueberfluessig-und-unverhaeltnismaessig-a-963207.html
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist zum Glück deutlich:
Mit der Vorratsdatenspeicherung lässt sich das Privatleben eines
Menschen detailliert ausforschen. Das verträgt sich nicht mit einer
freien Gesellschaft. Die monatelange Speicherung sorgt dafür, dass sich
die Betroffenen - und das sind wir alle, ausnahmslos - ständig überwacht
fühlen können.
Vorratsdaten verraten nicht nur, mit wem wir wann kommuniziert haben.
Sie ermöglichen auch, rückwirkend detaillierte Bewegungsprofile zu
erstellen. Immer dann nämlich, wenn man ein Handy mit sich führt. So wie die meisten von uns.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat vor dieser Massenüberwachung gewarnt:
Die Vorratsdatenspeicherung schaffe "aussagekräftige Persönlichkeits-
und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers". Die anlasslose
Speicherung sei geeignet, "ein diffus bedrohliches Gefühl des
Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der
Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann".
Ständige Beobachtung, Beeinträchtigung der Grundrechte: Die Warnungen
der Richter in Luxemburg und Karlsruhe könnten nicht klarer sein. Es
sind Ohrfeigen für all jene Scharfmacher, die von der Unschuldsvermutung
abrücken und Vorratsdaten speichern wollen. Für jene Minderheit, für
die jeder Bürger erst mal verdächtig sein soll, bis zum Beweis seiner
Unschuld.
Wer nun weitermacht und immer noch die Vorratsdatenspeicherung
fordert, so wie Innenminister Thomas de Maizière, hat die Richter
missverstanden. Denn die haben Datensammlung zwar nicht vollständig
verboten, aber nur als letzten Ausweg erlaubt, unter strengsten
Vorgaben, wenn sie unbedingt notwendig ist.
Ist es wirklich notwendig, für alle Bürger detaillierte Profile
anzulegen? Davon kann keine Rede sein. Beweise für die Notwendigkeit
sind die Scharfmacher bisher schuldig geblieben.
Studien legen sogar das Gegenteil nahe. Weil aber vernünftige
Polizeiarbeit besser geeignet ist, Straftaten aufzuklären und
öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, gilt: Die massenhafte
Überwachung Unschuldiger ist unverhältnismäßig, der Generalverdacht eine
Beleidigung für jeden Bürger.