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Saturday, February 23, 2013

WELLERSHOFF rechnet mit Inflation

Autor thomas ramseyer
Staatsbanken kaufen Obligationen entlang der Zinskurve. Professionelle Anleger ziehen mit wegen "höherer" Erträge; sie werden sozusagen aus dem Markt gedrängt. 

Fonds- Pensionskassen- Krankenkassenvermögen werden deshalb besonders heftige Verluste erleiden. Das Risiko erwähnter Vermögen geht voll zu Lasten der Anleger, also der Bevölkerung.

Auszug aus CASH-Interview mit Klaus Wellershoff
Die Fondsindustrie stagniert seit ­Jahren nicht nur in der Schweiz. Hat dies nur mit der Anlegerunlust zu tun?
Die unsichere Lage an den Finanzmärkten spielt sicher mit, dann aber auch die Zinssituation: Tiefe Zinsen machen das Verhältnis zwischen Fondsgebühren und Zinsen etwa auf Obligationenfonds oder bei Strategiefonds zunehmend unattraktiv. Diesbezüglich gehen die Fondsanbieter an die Grenze des Zulässigen. Drittens sind Fondsprodukte teilweise sehr teuer. Daher haben die Anleger wohl vermehrt auf passive Investments wie Exchange Traded Funds gesetzt. Und was man auch nicht vergessen sollte: Dies alles passiert in einem allgemeinen Umfeld des Misstrauens gegenüber Finanzdienstleistern.

Bemerkung: endlich werden die Tatsachen auf den Tisch gelegt. Wellershoff ist unabhängig; er fühlt sich mehr und mehr dem Wohl der Bevölkerung verpflichtet. Allfällig passives Management von Finanzdienstleistern verursacht Kosten in der Höhe von annähernd 3% p.a. Passives Management im Rahmen eines Verwaltungsmandates ebenfalls. Ohne auch nur einen Finger zu krümmen kassieren Finanzdienstleister Erkleckliches.

Heutzutage ist immer öfter die Rede von «Financial Repression», das heisst, der Staat greift als Folge der Krisen immer häufiger in die Märkte ein und holt sich die benötigten ­Mittel beim Bürger. Wie weit sind wir drin in einem Repressionsszenario?
Wir sind mittendrin. Wir sehen, wie die Zentralbanken an den Obligationenmärkten intervenieren und versuchen, das Zinsniveau künstlich tief zu halten. Wir sehen Anlagevorschriften für Pensionskassen. Auch in der Schweiz wurden die Anlagevorschriften für die Krankenkassen deutlich verschärft – weg von der Diversifikation und hinein in die Obligationen. Die offiziellen Anforderungen an die Anleger manifestieren sich also bereits sehr deutlich. Ich denken, da muss man ganz genau hinschauen und versuchen, dem auszu­weichen.

Bemerkung: trotz tieferer Erträge sind die Anleger gehalten, ihre Obligationenportfolios eher kurzfristig zu strukturieren. Die Zeit des Verzichts ist gekommen. Um die Erträge zu optimieren, müssen Obligationenportfolios eigenhändig verwaltet/"gemanagt" werden. Auch bei NullYields entstehen auf diese wundersame Weise Mehrrträge gegenüber Finanzdienstleister betreuter Portfolios/Funds wegen Ersparnis der Kommissionen von bis zu 3% p.a. [wohgemerkt z.Bsp. 30% in zehn Jahren]

Wann und in welchem Währungsraum werden die Leitzinsen zuerst erhöht?
Das liegt zeitlich weit weg. Die Frage der Zinswende wird aber nicht entschieden durch die Leitzinsen, sondern durch die Frage der Interventionspolitik, das heisst der Anleihenkäufe der Zentralbanken. Wenn überhaupt eine Zinswende bevorstünde, dann sähen wir diese in Europa. Dann würden die Renditen der Süd­europa-Staatsanleihen fallen und diejenigen Deutschlands wie auch der Schweiz ansteigen.

Dann müsste ja die Schweizerische Nationalbank die Kursuntergrenze zum Euro erhöhen.
Dieses Thema betrifft ja nicht bloss die Konjunktur. Eine einseitige Anbindung des Wechselkurses an eine Nachbarwährung bedeutet ein grosses Stück Souveränitätsverlust für eine Zentralbank. Es erstaunt mich, dass in der Schweiz darüber so wenig öffentlich diskutiert wird. Die Schweiz importiert damit quasi die Geldpolitik, die Inflationsraten und das Zinsniveau des Nachbarlandes. Nun, die Zinsraten zu den Nachbarn liegen ja noch immer weit auseinander, und daher finde ich es nicht dermassen evident, dass die Kursuntergrenze beim Status quo beibehalten wird. Zum Glück hat die Schweiz ein hervorragendes Nationalbank-Direktorium. Da ist währungsökonomischer Sachverstand vorhanden wie vielleicht nie zuvor. Vielleicht ändert sich die Lage in Europa im 2013 dahingehend, dass man wieder eine normale Geldpolitik betreiben kann.

Bemerkung: Unterstützung der Wirtschaft durch Schwächung der eigenen Währung befeuern die internationale Diskussion um den sogenannten Währungskrieg. Die Schweiz und China werden von den Amerikanern bald einmal in ein und denselben Topf geworfen. Für die EU hingegen ist das Verhalten der SNB willkommen; mit ihrem Crowding out sorgt letztere für tiefere Zinssätze in den EU-Ländern.

Zwei Negativszenarien drohen den Anlegern seit geraumer Zeit: Inflation oder Deflation. Welches Szenario ist das realistischere?
Wir denken, dass Inflation das realistischere Szenario ist. Trotz wirtschaftlich schwacher Lage praktisch weltweit befinden sich die Inflationsraten am oberen Rand dessen, was die Zentralbanken als Preisstabilität definieren. Wenn wir wieder mehr Wachstum haben, müssen wir mit höherer Inflation rechnen.


Die Staaten werden sich dann sowieso freuen, wenn die Inflation kommt …
…  um sich auf diese Weise zu entschulden. Bezüglich der Konjunktur­entwicklung in der Schweiz reden Sie seit fast einem Jahr von einer schleichenden ­Rezession. Warum?
Das hat mit unserem Geschäft zu tun. Wir beraten ja eine Reihe von Industrieunternehmen. Als wir im letzten Herbst mit diesen Kunden redeten, spürten wir bezüglich Investitionen eine grosse Zurückhaltung, was den Standort Schweiz angeht. Die letzten verfügbaren Zahlen vom Seco zeigen, dass die Investitionen zunehmend zur Konjunkturbremse werden. Historisch betrachtet waren es immer die Investitionen, welche den Konjunkturzyklus in der Schweiz angetrieben haben. Grosse Industriebereiche in der Schweiz sind in der Rezession, auch die Finanzdienstleister sind nicht in einer positiven wirtschaftlichen Lage.

Bemerkung: Die Entschuldung der Staaten mittels Ausnutzung der Inflation funktioniert nur, wenn die Löhne und somit die Steuererträge steigen. Preissteigerungen einhergehend mit Lohnkürzungen stehen vor allem bei Staaten wie der Schweiz an. Die Importpreise können sich bei der zu erwartenden Erholung der umliegenden Länder innerhalb weniger Monate erhöhen. 

Wegen Kosteneffizienz und aus Wettbewerbsgründen kann es am Wirtschaftsstandort Schweiz nicht nur zur Stagnation der Löhne sondern auch zu Lohnkürzungen kommen.