Staatsbanken kaufen Obligationen entlang der Zinskurve. Professionelle Anleger ziehen mit wegen "höherer" Erträge; sie werden sozusagen aus dem Markt gedrängt.
Fonds- Pensionskassen- Krankenkassenvermögen werden deshalb besonders heftige Verluste erleiden. Das Risiko erwähnter Vermögen geht voll zu Lasten der Anleger, also der Bevölkerung.
Auszug aus CASH-Interview mit Klaus Wellershoff
Die Fondsindustrie stagniert seit Jahren nicht nur in der Schweiz. Hat dies nur mit der Anlegerunlust zu tun?
Die
unsichere Lage an den Finanzmärkten spielt sicher mit, dann aber auch
die Zinssituation: Tiefe Zinsen machen das Verhältnis zwischen
Fondsgebühren und Zinsen etwa auf Obligationenfonds oder bei
Strategiefonds zunehmend unattraktiv. Diesbezüglich gehen die
Fondsanbieter an die Grenze des Zulässigen. Drittens sind Fondsprodukte
teilweise sehr teuer. Daher haben die Anleger wohl vermehrt auf passive
Investments wie Exchange Traded Funds gesetzt. Und was man auch nicht
vergessen sollte: Dies alles passiert in einem allgemeinen Umfeld des
Misstrauens gegenüber Finanzdienstleistern.
Bemerkung: endlich werden die Tatsachen auf den Tisch gelegt. Wellershoff ist unabhängig; er fühlt sich mehr und mehr dem Wohl der Bevölkerung verpflichtet. Allfällig passives Management von Finanzdienstleistern verursacht Kosten in der Höhe von annähernd 3% p.a. Passives Management im Rahmen eines Verwaltungsmandates ebenfalls. Ohne auch nur einen Finger zu krümmen kassieren Finanzdienstleister Erkleckliches.
Heutzutage ist immer öfter die Rede von «Financial
Repression», das heisst, der Staat greift als Folge der Krisen immer
häufiger in die Märkte ein und holt sich die benötigten Mittel beim
Bürger. Wie weit sind wir drin in einem Repressionsszenario?
Wir
sind mittendrin. Wir sehen, wie die Zentralbanken an den
Obligationenmärkten intervenieren und versuchen, das Zinsniveau
künstlich tief zu halten. Wir sehen Anlagevorschriften für
Pensionskassen. Auch in der Schweiz wurden die Anlagevorschriften für
die Krankenkassen deutlich verschärft – weg von der Diversifikation und
hinein in die Obligationen. Die offiziellen Anforderungen an die Anleger
manifestieren sich also bereits sehr deutlich. Ich denken, da muss man
ganz genau hinschauen und versuchen, dem auszuweichen.
Bemerkung: trotz tieferer Erträge sind die Anleger gehalten, ihre Obligationenportfolios eher kurzfristig zu strukturieren. Die Zeit des Verzichts ist gekommen. Um die Erträge zu optimieren, müssen Obligationenportfolios eigenhändig verwaltet/"gemanagt" werden. Auch bei NullYields entstehen auf diese wundersame Weise Mehrrträge gegenüber Finanzdienstleister betreuter Portfolios/Funds wegen Ersparnis der Kommissionen von bis zu 3% p.a. [wohgemerkt z.Bsp. 30% in zehn Jahren]
Wann und in welchem Währungsraum werden die Leitzinsen zuerst erhöht?
Das
liegt zeitlich weit weg. Die Frage der Zinswende wird aber nicht
entschieden durch die Leitzinsen, sondern durch die Frage der
Interventionspolitik, das heisst der Anleihenkäufe der Zentralbanken.
Wenn überhaupt eine Zinswende bevorstünde, dann sähen wir diese in
Europa. Dann würden die Renditen der Südeuropa-Staatsanleihen fallen
und diejenigen Deutschlands wie auch der Schweiz ansteigen.
Dann müsste ja die Schweizerische Nationalbank die Kursuntergrenze zum Euro erhöhen.
Dieses
Thema betrifft ja nicht bloss die Konjunktur. Eine einseitige Anbindung
des Wechselkurses an eine Nachbarwährung bedeutet ein grosses Stück
Souveränitätsverlust für eine Zentralbank. Es erstaunt mich, dass in der
Schweiz darüber so wenig öffentlich diskutiert wird. Die Schweiz
importiert damit quasi die Geldpolitik, die Inflationsraten und das
Zinsniveau des Nachbarlandes. Nun, die Zinsraten zu den Nachbarn liegen
ja noch immer weit auseinander, und daher finde ich es nicht dermassen
evident, dass die Kursuntergrenze beim Status quo beibehalten wird. Zum
Glück hat die Schweiz ein hervorragendes Nationalbank-Direktorium. Da
ist währungsökonomischer Sachverstand vorhanden wie vielleicht nie
zuvor. Vielleicht ändert sich die Lage in Europa im 2013 dahingehend,
dass man wieder eine normale Geldpolitik betreiben kann.
Bemerkung: Unterstützung der Wirtschaft durch Schwächung der eigenen Währung befeuern die internationale Diskussion um den sogenannten Währungskrieg. Die Schweiz und China werden von den Amerikanern bald einmal in ein und denselben Topf geworfen. Für die EU hingegen ist das Verhalten der SNB willkommen; mit ihrem Crowding out sorgt letztere für tiefere Zinssätze in den EU-Ländern.
Bemerkung: Unterstützung der Wirtschaft durch Schwächung der eigenen Währung befeuern die internationale Diskussion um den sogenannten Währungskrieg. Die Schweiz und China werden von den Amerikanern bald einmal in ein und denselben Topf geworfen. Für die EU hingegen ist das Verhalten der SNB willkommen; mit ihrem Crowding out sorgt letztere für tiefere Zinssätze in den EU-Ländern.
Zwei Negativszenarien drohen den Anlegern seit geraumer Zeit: Inflation oder Deflation. Welches Szenario ist das realistischere?
Wir
denken, dass Inflation das realistischere Szenario ist. Trotz
wirtschaftlich schwacher Lage praktisch weltweit befinden sich die
Inflationsraten am oberen Rand dessen, was die Zentralbanken als
Preisstabilität definieren. Wenn wir wieder mehr Wachstum haben, müssen
wir mit höherer Inflation rechnen.
Die Staaten werden sich dann sowieso freuen, wenn die Inflation kommt …
…
um sich auf diese Weise zu entschulden. Bezüglich der
Konjunkturentwicklung in der Schweiz reden Sie seit fast einem Jahr von
einer schleichenden Rezession. Warum?
Das hat mit
unserem Geschäft zu tun. Wir beraten ja eine Reihe von
Industrieunternehmen. Als wir im letzten Herbst mit diesen Kunden
redeten, spürten wir bezüglich Investitionen eine grosse Zurückhaltung,
was den Standort Schweiz angeht. Die letzten verfügbaren Zahlen vom Seco
zeigen, dass die Investitionen zunehmend zur Konjunkturbremse werden.
Historisch betrachtet waren es immer die Investitionen, welche den
Konjunkturzyklus in der Schweiz angetrieben haben. Grosse
Industriebereiche in der Schweiz sind in der Rezession, auch die
Finanzdienstleister sind nicht in einer positiven wirtschaftlichen Lage.
Bemerkung: Die Entschuldung der Staaten mittels Ausnutzung der Inflation funktioniert nur, wenn die Löhne und somit die Steuererträge steigen. Preissteigerungen einhergehend mit Lohnkürzungen stehen vor allem bei Staaten wie der Schweiz an. Die Importpreise können sich bei der zu erwartenden Erholung der umliegenden Länder innerhalb weniger Monate erhöhen.
Wegen Kosteneffizienz und aus Wettbewerbsgründen kann es am Wirtschaftsstandort Schweiz nicht nur zur Stagnation der Löhne sondern auch zu Lohnkürzungen kommen.
Bemerkung: Die Entschuldung der Staaten mittels Ausnutzung der Inflation funktioniert nur, wenn die Löhne und somit die Steuererträge steigen. Preissteigerungen einhergehend mit Lohnkürzungen stehen vor allem bei Staaten wie der Schweiz an. Die Importpreise können sich bei der zu erwartenden Erholung der umliegenden Länder innerhalb weniger Monate erhöhen.
Wegen Kosteneffizienz und aus Wettbewerbsgründen kann es am Wirtschaftsstandort Schweiz nicht nur zur Stagnation der Löhne sondern auch zu Lohnkürzungen kommen.